5 Geschäftspraktiken von denen du im digitalen Fundraising die Finger lassen solltest
Im Online-Fundraising gibt es zunehmend Praktiken, die wir als problematisch erachten. In diesem Artikel beleuchten wir 5 davon und zeigen deren Folgen für den dritten Sektor.
Kürzlich haben wir unseren Verhaltenskodex – auch Code of Conduct genannt – überarbeitet. Regelmässig überprüfen und aktualisieren wir unsere Richtlinien und setzen uns mit den veränderten Marktbedingungen und Anforderungen der verschiedenen Anspruchsgruppen auseinander.
Bei der diesjährigen Überprüfung ist uns aufgefallen, dass grosse internationale Non-Profit-Organisationen oft über umfassende Regelwerke verfügen, während sich bei kleineren NPO und Dienstleistern selten ein öffentlich zugänglicher Verhaltenskodex findet. Ausserdem beobachten wir im Online-Fundraising zunehmend Geschäftspraktiken, die uns persönlich missfallen. In diesem Beitrag zeigen wir aus unserer Perspektive die «No Gos», deren Konsequenzen und mögliche Ansätze, um ein transparentes und faires Fundraising auch in Zukunft zu gewährleisten.
1. Vorfinanzierung von Aufträgen
Immer wieder erhalten wir Anfragen von Organisationen, die provisionsbasiert mit uns zusammenarbeiten möchten. Das bedeutet: Der externe Partner trägt die Kosten im Voraus, und die NPO bezahlt erst, wenn Spenden eingehen. Funktioniert der Case gut, erhält der Dienstleister oder die Dienstleisterin, durch die prozentuale Provision, eine überproportional hohe Vergütung. Diese Geschäftspraktik ist problematisch, weil:
- sie Hilfsorganisationen langfristig abhängig macht.
- sie einen sorgsamen Umgang mit dem Spendenfranken nicht fördert und im Konflikt zum Wunsch von Spendenden nach Transparenz steht.
- kurzfristige, performance-basierte Ziele und nicht der Aufbau eines nachhaltigen Online-Fundraisings im Vordergrund stehen.
Wer ein erfolgreiches Online Fundraising aufbauen möchte, muss unweigerlich investieren. Mit einer Digitalstrategie, die klare Kosten- und Ertragsszenarien erhält, lassen sich die Risiken jedoch minimieren.
2. Transaktionsbasierte Preise
Im Softwarebereich ist eine Vorfinanzierung fast unabdingbar. Keine innovative NPO-Software lässt sich ohne massgebliche Vorinvestition bauen. Eine absolute Transparenz ist schwer herstellbar, da die Aufwände teils selbst für uns als Anbieterin, schwer planbar sind (Stichwort: agile Entwicklung).
Dies ist jedoch unkritisch, da sich Aufwand und Geschäfts-/Preismodell voneinander trennen lassen. Lese hierzu: Kostenlose Spendenformulare: Wie aus günstig, schnell teuer wird. Problematisch wird es dann, wenn die Softwareanbieterin prozentual am Spendenfranken mitverdient oder über exklusive Partnerschaften mit Zahlungsmethoden, wettbewerbsrechtlich bedenkliche Teilmonopole erschafft.
3. Kalt E-Mail-Versände und Co.
Bigger, better, faster, louder – so lautet das Motto vieler kommerzieller Plattformen. Im Wetteifer um mehr Online-Spenden werden solche Praktiken teils auch von NPO und deren Dienstleistern übernommen.
Der Versand von Massen-E-Mails, ohne Double-Opt-in der Zielgruppe, ist ein Beispiel dafür. Der Einkauf und Gebrauch von Fremd-E-Mail-Adressen ist datenschutzwidrig und schadet der Reputation unserer Branche.
Brand-Hijacking, also das Platzieren eines Ad-Spends (z.B. via Google Ads) bei Suchbegriffen von Drittorganisationen, ist zwar rechtlich weniger bedenklich, jedoch nicht minder Ausdruck schlechten Geschmacks. Anstelle des «Traffic-Klaus» empfehlen wir Hilfswerken an der eigenen Relevanz zu schrauben.
4. Externe Datenhaltung und -verwertung
Es ist allgemein bekannt, dass Daten ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sind und durch Technologien wie künstliche Intelligenz weiter an Bedeutung gewinnen.
Die Daten aus Kommunikations- und Fundraisingaktionen gehören ausschliesslich den Non-Profit-Organisationen und sollten in keinem Fall durch Fundraisingagenturen gehostet und verwaltet werden. Leider ist dies bis heute nicht immer selbstverständlich und alte Geschäftsmodelle halten sich hartnäckig – betroffene Hilfswerke sollten hier umdenken.
Klare vertragliche Rahmenbedingungen sind, unabhängig der Zusammenarbeitsform, für alle Hilfswerke unerlässlich. So empfehlen wir nebst einem Data Processing Agreement (DPA) bzw. einem Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) auch eine Stillschweigevereinbarung mit Lieferanten zu unterzeichnen.
5. Software-Recycling
In Bereichen wie CRM, Web oder Marketing Automation gibt es nach wie vor wenige spezialisierte Branchenlösungen – Vieles wird auch heute noch kundenspezifisch entwickelt. Einige Anbieter machen sich dies zunutze und verkaufen Projektlösungen grosser Hilfswerke weiter.
Diese Praktik ist deshalb problematisch, weil das finanzielle Risiko, das eigentlich vom Anbieter getragen werden sollte, auf die NPO abgewälzt wird. Wettbewerbsvorteile generieren dann nicht die investitions- und risikobereiten NPO, sondern die Dienstleister. Das Recycling könnte und sollte durch vertragliche Regelungen und Sanktionen einfach unterbunden werden.
Fundraising-Dienstleister: Fluch oder Segen?
Soulclick ist selbst keine Non-Profit Organisation und das ist gut so. Das Wechselspiel aus Profit- und Non-Profit-Organisationen führt unseres Erachtens zu besseren Ergebnissen, gerade im kapital- und ressourcenintensiven Softwareumfeld.
Als inhabergeführtes, privates Unternehmen haben wir die Freiheit, langfristig zu agieren und zu investieren. Im Gegensatz zu Unternehmen mit privaten Investoren oder Venture Capital sind wir nicht auf kurzfristige Resultate fokussiert und können die Bedürfnisse verschiedener Stakeholder berücksichtigen.
Wir glauben jedoch fest daran, dass es bessere Rahmenbedingungen und Spielregeln braucht, und engagieren uns daher aktiv in der kürzlich gegründeten Fachgruppe der Dienstleister:innen von Swissfundraising. Unser persönliches Zwischenfazit lautet: Es gibt weder die «bösen Dienstleister:innen», noch die «guten NPO». Beide Seiten brauchen einander und sollten sich um ein faires und transparentes Fundraising bemühen.